An die Stelle der Vergangenheitsbewältigung ist immer klarer die Vergangenheitsbewahrung getreten. Sie beginnt mit der Einsicht in die Unbeendbarkeit der Schuld und die Irreparabilität des Schadens, für den es keine Wiedergutmachung und Versöhnung gibt - nur die Solidarität in der Erinnerung.

2011: Gedenksymposium: "Von der NS-Medizin zur Biopolitik"

Am 4. November 2011 organisierten Wolfgang Freidl (ISME), Rainer Possert (SMZ), Gustav Mittelbach (SMZ), Gabriele Czarnowski, Rainer Danzinger, Gert Lyion, Èva Rásky und Inge Zelinka-Roitner in Kooperation mit der ÖH der Meduni Graz ein Gedenksymposium zum Thema: "Von der NS-Medizin zur Biopolitik - Aktuelle bioethische und gesundheitspolitische Fragen und die Ermordung von Grazer Patienten".

Anlass zu diesem Symposium gab der 40. Allgemeinmedizinische Kongress im Herbst 2009: Allein über die Euthanasie-Verbrechen am Feldhof zu sprechen, der Opfer zu gedenken und die politischen und ethischen Konsequenzen bis heute aufzuzeigen, und das als kurzes  fünf-Minuten-Statement, war für die Veranstalter  vor zwei Jahren schon eine offensichtliche Provokation und führte zu heftigen Gegenreaktionen.

Dieses Symposion ist die direkte  Antwort darauf. Eine Antwort auf Ärzte, die es bis heute nicht verstanden haben, dass die Unterwerfung damaliger Mediziner unter die NS-Ideologie sowie die mörderischen Folgen für die ihnen anvertrauten PatientInnen bis in die heutige Zeit radikale Konsequenzen nach sich ziehen.

Das Symposium soll den rund 1500 Opfern der so genannten „Euthanasie“-Mordaktion im ehemaligen Grazer Spital „Am Feldhof“ gedenken, verantwortet von Ärzten und Pflegepersonal unter Mithilfe der Gesundheitsämter, Gutachter etc.

Nationalsozialistische Politik, Rassismus, Antisemitismus und Rassenhygiene führten direkt zur Vernichtung steirischer und slowenischer PatientInnen. Zur Veranstaltung sind auch Vertreter der neuen Medizinischen Fakultät in Maribor eingeladen, stammte doch ein Teil der Opfer aus den Heil- und Pflegeanstalten Novo Celje und Ptuj und somit aus der ehemaligen „Untersteiermark“.

Wir müssen uns auch heute immer wieder fragen:

  • Welche Schlüsse müssen aus diesen historischen Erfahrungen für die Ausbildung künftiger Ärzte und Ärztinnen gezogen werden?
  • Wie verändern sich die Arzt-PatientInnen-Beziehungen und ethische Entscheidungsprozesse der modernen Medizin?

Deshalb werden die konkrete historische Aufarbeitung mit neuen Forschungsergebnissen über die Geschichte der steirischen Psychiatrie, der klare Bezug auf die Menschen- und Patientenrechte, der heutige Umgang mit behinderten Menschen und der Zusammenhang mit den modernen Fragen der Intensiv- und Transplantationsmedizin, Pränataldiagnostik sowie die Ökonomisierung der Medizin  im Mittelpunkt dieses Symposiums stehen.

Wie können heute selbstverständlich klingende Grundsätze wie

  • Integration statt Ausgrenzung, Schutz statt Ausmerzung,
  • Wertschätzung auch des Schwachen und Fremden,
  • Akzeptanz statt Korrektur,
  • Ehrfurcht vor dem Leben und
  • solidarische Verantwortung für die uns anvertrauten PatientInnen  in Forschung und Lehre an der Universitäten, aber auch politisch und gesellschaftlich abgesichert werden?

Dazu ist die oft tabuisierte konkrete Beschäftigung mit unserer eigenen Vergangenheit, der würdevolle Umgang mit den Opfern, die oft schmerzliche Analyse der genauen Umstände und das Herausarbeiten ähnlicher Bedingungen als potentieller Gefahr für die Zukunft immer wieder bitter nötig.

Weitere Informationen unter:                               

Zusammenfassung des Symposiums als PDF Download

 

21. Februar 2017