An die Stelle der Vergangenheitsbewältigung ist immer klarer die Vergangenheitsbewahrung getreten. Sie beginnt mit der Einsicht in die Unbeendbarkeit der Schuld und die Irreparabilität des Schadens, für den es keine Wiedergutmachung und Versöhnung gibt - nur die Solidarität in der Erinnerung.

Das Lager Liebenau darf nicht ein zweites Mal in Vergessenheit geraten!

Bericht zur Gedenkveranstaltung am 6. April 2018

Ein großes Danke an die vielen BesucherInnen der Gedenkveranstaltung am 6.April 2018 in Graz-Liebenau!

Wir alle haben gemeinsam mit dem Berndt Luef Jazztett Forum Graz und dem Pianisten Paul Gulda ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt, am Grünanger einen nachhaltigen Ort des Gedenkens zu schaffen. Die anwesenden PolitikerInnen haben dies an diesem Tag auch bekräftigt. Rund 300 Menschen besichtigten mit Rainer Possert den ehemaligen Lagerbereich, und an die 200 besuchten das berührende Gedenkkonzert in der Kirche der Pfarre Graz-Süd.

Rainer P o s s e r t, Gedenkinitiative Graz-Liebenau, gedenkt in seiner Ansprache der NS-Opfer im Lager Liebenau und mahnt zum wiederholten Male, weitere Opfer auf den - mittlerweile wissenschaftlich genau vermessenen - Verdachtsflächen zu suchen und bezieht sich u.a. auf den Leiter der archäologischen Grabungen, Dr. Gerald Fuchs, der im ORF Interview im August 2017 von einem Dutzend bis einigen Hunderten sprach - „wieviele wirklich dort liegen, weiß kein Mensch!“ Possert verweist noch einmal auf die beiden 1991 beim Bau des Kindergartens Andersengasse gefundenen Skelette: „Ich halte es für eine ethische Verpflichtung nach weiteren namenlosen Opfern zu suchen!“

 

Landtagspräsidentin Bettin V o l l a t h  dankt Rainer Possert für sein nachhaltiges Engagement: “Seit 6 Jahren setzen Sie alle Ihre Kraft ein, damit das Lager Liebenau nicht ein zweites Mal in Vergessenheit gerät… Wir alle müssen Sie dabei noch stärker unterstützen, dass auch für  nachfolgende Generationen die Spuren der Erinnerung nicht weiter verblassen!“ Vollath fordert die Stadt Graz dazu auf, den roten Faden aufzunehmen: „Wir sind verpflichtet, den Übergang von  der individuellen Zeitzeugen-Erinnerung  zu einer kollektiven Erinnerung zu schaffen. Das bedeutet, dass beim Auffinden so bedeutetender Artefakte wie am Grünanger, diese auch für die Nachwelt erhalten bleiben sollten. Dieses Zwangsarbeiterlager war schon einmal vergessen, es darf nicht mehr dazu kommen, ein zweites Mal in Vergessenheit zu geraten.“

 

Kulturstadtrat Günter R i e g l e r  widersetzte sich den Stimmen der Kritik, dass das offizielle Graz ein Vergessen und Zudecken befördern wolle und kein Interesse an der Aufarbeitung der NS-Geschichte hätte: „Es gibt mittlerweile einen Fördervertrag mit dem Ludwig Boltzmann Institut für eine Ausstellung zum Lager Liebenau, zur Aufstellung einer Gedenktafel und einer entsprechenden Kunststätte. Wir werden uns bemühen, dieser eine große und angemessene Bedeutung zu geben!“

Zur Erhaltung und Sichtbarmachung der archäologischen Funde am Grünanger meinte er: „Die Empfehlungen, die wir bekommen, gehen in die Richtung, dass wir sagen, es ist eine Bodenfundstelle,und es muss dann eben aber auch, wenn etwas gefunden wird, wieder zugemacht werden, …Ethik spielt sich immer als Etwas in einer Dilemma-Situation ab,…“

 

Univ.Prof. Peter G s t e t t n e r,  Mauthausen Komitee Österreich: „Auch das Verwischen und Unsichtbarmachen von Spuren hinterlässt Spuren. Die Erinnerung an das Geschehen wird auch als Gedächtnisspur von einer Generation zur nächsten weitergegeben, oft  geschieht dies nonverbal durch die unbewusste Weitergabe eines Traumas. Wir sprechen dabei von „emotionalem Gefühlserbe“….Womit wir heute belastet sind, ist die Vergessensschuld. In unserem Fall geht es um die symbolische Sichtbarmachung der Erinnerung an die NS-Opfer, deshalb sollte die Stadt Graz so rasch wie möglich eine Gedenkstätte errichten,…“

 

Für Elie R o s e n, den Präsidenten der jüdischen Gemeinde Graz, sind die Forderungen unserer Gedenkinitiative nachvollziehbar, wie er in seiner Grußbotschaft schreibt, jene Orte, an denen so viele Jüdinnen und Juden den Tod fanden, nicht nur als Gedenkort zu erhalten, sondern auch längerfristig für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Es genügt kein rituelles Abarbeiten im geschichtsträchtigen Jahr 2018!“

 

Wir alle haben bei dieser Gedenkveranstaltung gemeinsam gezeigt, dass neues und altes rechtes Gedankengut nicht salonfähig werden darf und wir offenem und versteckten Rassismus und Antisemitismus entgegentreten müssen. Vergessen wir nicht, es gibt in Graz, so wie in ganz Österreich, immer noch einflussreiche Kreise, die sich dem nationalsozialistischem Gedankengut verbunden fühlen und daran arbeiten, altes und neues rechtes Gedankengut salonfähig zu machen. Pfarrer Sosteric in seiner Ansprache: „Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen!“

12. April 2018